Dienstgeber müssen nicht in jedem Fall der Dienstverhinderung Arbeitsentgelt zahlen.
Die verbreitete Sicht, dass der Lohn bei jeder Dienstverhinderung zu bezahlen wäre, ist durch die jüngeren Entwicklungen der Judikatur nicht aufrechtzuerhalten. Die Rechtsprechung richtet in letzter Zeit einen strengeren Blick auf jene Fälle, in denen ein Mitarbeiter die Entgeltfortzahlungspflicht des Dienstgebers zu intensiv in Anspruch nehmen will.
In Österreich legt der Gesetzgeber das Risiko der Verhinderung eines Dienstnehmers vielfach in die Hände des Dienstgebers. Dieser hat den Lohn zu bezahlen, obwohl der Dienstnehmer keine Arbeit leistet. Dieser Umstand führt für den Unternehmer zu erheblichen Belastungen, weil er nicht nur die Arbeitsleitung des verhinderten Mitarbeiters verliert, sondern möglicherweise durch zusätzliche Ausgaben (Überstundenentgelte, etc.) auch tatsächlich mehr aufwenden muss, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dass häufiges Fernbleiben zum echten Problem für Dienstgeber wird, zeigt ein Blick in die Statistik. Allein im letzten Jahr waren Arbeitnehmer im Durchschnitt 12,8 Tage im Krankenstand, bei den über 50-Jährigen waren es sogar 20 Tage; Tendenz steigend.
Immer öfter kommen die Gerichte zum Schluss, dass nicht jede Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führt und nicht jede familiäre Verpflichtung des Dienstnehmers ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz rechtfertigt.
Es ist so jeweils ein genauer Blick auf die Gründe einer Dienstverhinderung zu richten.
Entgeltfortzahlung nur bei Arbeitsunfähigkeit.
Die Krankheit eines Dienstnehmers führt nach § 8 Angestelltengesetz nur dann zu einer Entgeltfortzahlungspflicht des Dienstgebers, wenn diese auch tatsächlich zur Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters führt. Dabei stellt die Judikatur streng darauf ab, ob der Dienstnehmer die im Dienstvertrag festgelegten Leistungen erbringen kann. Ein verstauchter Zeh wird daher etwa beim Bauarbeiter wohl zur Arbeitsunfähigkeit führen, während dies bei reinen Bürotätigkeiten nicht der Fall sein muss.
Kann der Arbeitnehmer nur einen Teil seiner Arbeit verrichten, kommt es darauf an, ob diese Leistungen im Mittelpunkt seiner Arbeitsverpflichtungen stehen. Ist das der Fall, so ist der Dienstnehmer auch arbeitsfähig.
Dem Bauarbeiter kann so nicht etwa entgegengehalten werden, dass er mit seiner verletzten Zehe ja Portierstätigkeiten im Unternehmen entfalten könnte.
Ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, hat zunächst der behandelnde Arzt zu entscheiden. Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, den Beweis eines Gefälligkeitsattests des Arztes anzutreten; auch rückdatierte Atteste sind in der Regel kein entsprechender Nachweis für eine Arbeitsunfähigkeit (OGH 9 Ob A 113/02; 8 Ob A 88/05g).
Entgeltfortzahlung nur bei Schuldlosigkeit.
Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, wenn der Dienstnehmer seine Arbeitsunfähigkeit durch eine außergewöhnliche Sorglosigkeit verursacht hat.
Bei Tätowierungen oder Schönheitsoperationen hat die Judikatur eine Entgeltfortzahlungspflicht bereits abgelehnt (Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, § 8 Rz 5). Bei Sportverletzungen war die Rechtsprechung bislang zurückhaltender. Noch nie wurde die Ausübung einer Sportart an sich als außergewöhnliche Sorglosigkeit eingestuft; dies nicht einmal bei Unfällen beim Drachenfliegen (LG Klagenfurt 3 Cg 33/78). Dennoch ist anzunehmen, dass bei der Judikatur auch hier langsam ein Umdenken einsetzt, weil bei besonders gefahrengeneigten Extremsportarten das Verletzungsrisiko derart hoch ist, dass dieses nicht alleine dem Dienstgeber zugeschrieben werden kann – man denke nur an Unfälle beim Base-Jumping.
Bei Verkehrsunfällen ist die Judikatur bereits gefestigter. Unfälle im alkoholisierten Zustand, die Mitfahrt mit einem erkennbar Alkoholisierten oder einem Lenker ohne Führerschein schließen den Entgeltfortzahlungsanspruch allesamt aus (Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, § 8 Rz 6).
Meldung.
Der Arbeitnehmer ist bei einer Krankheit verpflichtet, dem Dienstgeber seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen und auf sein Verlangen eine ärztliche Bestätigung vorzulegen. Verletzt er seine Meldeplicht, verliert der Mitarbeiter für die Dauer der Säumnis seinen Entgeltsanspruch.
Der Mitarbeiter ist aber auch bei einem berechtigten Krankenstand verpflichtet, sich so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit rasch wieder hergestellt ist. Das Verhalten des Dienstnehmers im Krankenstand kann der Dienstgeber auch überwachen oder überwachen lassen. Führt eine derartige Überwachung zum Ergebnis einer groben Pflichtverletzung des Dienstnehmers, verliert er nicht nur seinen Lohnanspruch, der Dienstgeber kann auch eine berechtigte Entlassung aussprechen und die Überwachungskosten von ihm ersetzt verlangen (OGH 4 Ob 67/80).
Dienstverhinderung aus anderen Gründen.
Arbeitnehmer behalten ihren Entgeltsanspruch nach § 8 Abs 3 Angestelltengesetz nicht nur im Krankheitsfall, sondern auch, wenn sie aus anderen wichtigen Gründen während einer kurzen Zeit an der Dienstleistung gehindert sind. Hierher gehören Dienstverhinderungen durch Hochzeit, Taufen, Firmungen, die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen, Amts- und Gerichtstermine oder die Zeit, die für die Übersiedelung des eigenen Haushalts nötig ist (LGZ Wien, 44 Cga 32/78).
In all diesen Fällen ist der Dienstnehmer nicht verpflichtet, für die Dienstfreistellung Urlaub zu konsumieren. Dieser Freistellungsanspruch besteht zusätzlich zum Urlaubsanspruch.
Entgeltausfallsprinzip.
Besteht tatsächlich ein Anspruch des Dienstnehmers auf Weiterbezahlung des Entgelts, ist er vom Dienstgeber wirtschaftlich so zu stellen, wie dies bei einem regelmäßigen Verlauf seines Arbeitsverhältnisses der Fall gewesen wäre. Es sind daher auch regelmäßig anfallende Überstundenentgelte oder Provisionen während der Dienstverhinderung zu bezahlen (OGH 8 Ob A 361/97i).
Dieses Entgeltausfallsprinzip kann vom Dienstgeber auch nicht durch besondere Prämien, die dem Dienstnehmer nur bei einer tatsächlichen Arbeitsleistung zustehen („Anwesenheitsprämien“), umgangen werden. Wegen des rechtlich zwingenden Charakters der Entgeltfortzahlungsvorschriften wäre eine derartige Prämie auch an Arbeitnehmer im Krankenstand zu bezahlen (OGH 9 Ob A 283/88).
Pflegefreistellung.
§ 16 Urlaubsgesetz räumt dem Dienstnehmer einen Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts bis zum Höchstausmaß seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zur Pflege und Betreuung naher Angehöriger ein („Pflegeurlaub“). Bei Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, besteht bei Pflegebedarf noch der Anspruch auf eine weitere Arbeitswoche.
Ein berufstätiger Arbeitnehmer ist nach der Rechtsprechung allerdings verpflichtet, alles Zumutbare zur Vermeidung seiner Arbeitsverhinderung bei einem Pflegefall zu unternehmen. Wenn geeignete andere nicht berufstätige Familienangehörige vorhanden sind, ist das Kind von diesen zu pflegen. Ein Anspruch des Berufstätigen auf Freistellung besteht in diesem Fall nicht (OLG Linz, 13 Ra 92/93).
Praxistipp.
Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital des Unternehmers. Es ist daher vorher genau abzuwägen, ob durch eine kleinliche Diskussion bei der Entgeltfortzahlung das gute Betriebsklima und die Arbeitsmotivation der Mitarbeiter aufs Spiel gesetzt werden soll.
Dennoch: Arbeitgeber müssen sich nicht alles gefallen lassen. Die Judikatur erkennt immer häufiger, dass Entgeltfortzahlungsbestimmungen vom Dienstnehmer missbraucht werden. Einem Arbeitgeber ist jedenfalls entschlossenes Vorgehen für eine praktische Durchsetzung zu empfehlen, zumal seine Rechtsdurchsetzung mit wesentlichen Beweispflichten belastet ist.