Um zu erreichen, dass die Gesellschafter einer GmbH jedenfalls „unter sich“ bleiben können und ihr Unternehmen in Zukunft nicht etwa mit ihnen fremden neuen Gesellschaftern betreiben müssen, ist in GmbH-Gesellschaftsverträgen häufig ein Aufgriffsrecht vorgesehen; also das Recht der übrigen Gesellschafter, den Anteil eines anderen Gesellschafters zu erwerben, der aus der GmbH ausscheiden will oder muss. Ein Anteil soll eben nicht einfach an einen „Fremden“ übertragen werden können, sondern etwa in der Familie bleiben. Dabei wird häufig gerade an den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters gedacht, wo ein Insolvenzverwalter den Anteil zu verwerten haben kann. Der Gesellschaftsvertrag enthält dann häufig auch Bestimmungen, die den Preis für einen „Aufgriff“ vorab festlegen („Aufgriffspreis“). In der Praxis findet sich in Gesellschaftsverträgen so oft eine Regelung, wonach Gesellschafter den Anteil eines anderen Gesellschafters erwerben („aufgreifen“) können, wenn ein Gesellschafter insolvent wird.
Dieser Regelung hat das Oberlandesgericht Linz vor kurzem widersprochen: Das Oberlandesgericht Linz hat entschieden, dass ein Aufgriffsrecht im Insolvenzfall eines Gesellschafters generell unwirksam sei, da es dem Gläubigerschutzkonzept der Insolvenzordnung zuwiderlaufe; der Anteil eines insolventen Gesellschafters so in die Insolvenzmasse falle und vom Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf gesellschaftsvertragliche Beschränkungen an jeden Dritten frei veräußert werden könne (OLG Linz 6 R 95/19m).
Diese Entscheidung hat in der Praxis verständlicherweise für erhebliche Unruhe und Diskussion gesorgt. Gesellschafter, die die Gefahr eines Erwerbs ihres Unternehmens und des in einer GmbH vorhandenen Vermögens nicht hinnehmen wollen, mussten grundsätzliche Änderungen ihres Gesellschaftskonzepts überlegen, um dieses Ziel zu erreichen.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu nun ein Machtwort gesprochen, das zu starker Erleichterung in der Praxis geführt hat: Der Oberste Gerichtshof stellt in seiner jüngsten Entscheidung klar, dass Aufgriffsrechte auch im Fall der Insolvenz eines Gesellschafters wirksam sind (OGH 16.9.2020, 6 Ob 64/20k); die anderen Gesellschafter in diesem Fall den Anteil des insolventen Gesellschafters erwerben können, wenn dies im Gesellschaftsvertrag entsprechend vereinbart wurde. Dies aber mit einer wesentlichen Einschränkung, die der Oberste Gerichtshof klar gestellt hat: Wenn die Regelung im Gesellschaftsvertrag gerade für den Insolvenzfall einen Abschlag vom Aufgriffspreis vorsieht, ist dieser als sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung zu beurteilen – und damit unwirksam, wenn der für den Insolvenzfall vorgesehene Aufgriffspreis dadurch erheblich unter dem Verkehrswert des Anteils liegt und sich von dem für andere Fälle (etwa den Verkauf, oder die Kündigung) vereinbarten Aufgriffspreis unterscheidet.
Fazit: Aufgriffsrechte können auch für den Fall der Insolvenz wirksam vereinbart werden, wenn nur der Aufgriffspreis angemessen ist.
Es gilt so darauf zu achten, dass ein GmbH-Gesellschaftsvertrag dieser aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes entspricht. Bei bereits bestehenden Gesellschaftsverträgen gilt es zu überprüfen, ob den vom Obersten Gerichtshof nunmehr klar gestellten Kriterien entsprechen. Gesellschaftern bestehender GmbHs ist daher eine geordnete Prüfung des aktuellen Gesellschaftsvertrages zu raten, um böse Überraschungen zu vermeiden. Dabei ist eine Beratung durch eine in Wirtschaftssachen erfahrene Rechtsanwaltskanzlei unerlässlich. Unsere Kanzlei bietet Besprechungen in geschützter Form in der Kanzlei, aber auch per Videokonferenz oder per Telefon an. Für Videokonferenzen mit unserer Kanzlei benötigen Sie keine besonderen Computer- oder Netzwerkkenntnisse, bloß einen üblichen Internetzugang.
Mag. Patrick Kleinbauer, LAWPARTNERS Rechtsanwälte