Was ist erforderlich, um die Gewährleisung aus Immobilienkaufverträgen beherrschbar zu machen?
Bei der Umsetzung und praktischen Abwicklung eines Kaufvertrages über eine Immobilie werden Käufer und Verkäufer meist von professionellen Rechtsberatern – Rechtsanwälten oder Notaren – unterstützt. Die Einigung über die wesentlichen Vertragspunkte findet aber meist bereits statt, bevor sie einen Rechtsberater aufsuchen.
Nicht selten werden so vor Inanspruchnahme professioneller Rechtsberatung – schon allein um den Verkaufsprozess zu fördern – vom Verkäufer auch Informationen über die Qualität der Immobilie gegeben. Entsprechende Dokumentationen über die Verkaufsverhandlungen oder eine technische Überprüfung der Immobilie finden aber in der Praxis kaum statt.
Diese Situation ist für Käufer und Verkäufer mit erheblichen – mitunter existenzbedrohenden – Risiken verbunden, die mit einem überschaubaren Aufwand verhindert werden könnten. Der richtigen Vorbereitung eines Immobilienkaufs kommt nämlich entscheidende Bedeutung zu.
Ungewollter Vertragsabschluss.
Eigentum an einer Immobilie erwirbt der Käufer erst durch die Eintragung ins Grundbuch. Für diese Eintragung verlangt das Grundbuchsgesetz eine „grundbuchsfähige Urkunde“ – also einen schriftlichen Vertrag.
Der schriftliche Vertrag ist aber „nur“ eine formelle Voraussetzung für die Eintragung des Eigentumsrechts im Grundbuch. Der Immobilienkaufvertrag selbst kommt schon zustande, wenn sich beide Vertragsteile darüber einigen, welche Liegenschaft zu welchem Preis verkauft werden soll. Dazu ist nicht einmal Schriftlichkeit notwendig. Es ist rechtlich sogar ausreichend, wenn sich ein bestimmter Wille ohne Zweifel aus dem Verhalten einer Person schließen lässt.
In der Praxis schließen die Parteien daher meist – ungewollt – einen verbindlichen Vertrag, bevor sie einen Rechtsanwalt oder Notar um die Abwicklung ihres Geschäftes ersuchen. In dieser Phase sprechen die Parteien naturgemäß auch über die Immobilie und dessen Eigenschaften (Größe, Bauqualität, öffentlich-rechtliche Genehmigungen, etc); dies wird im Zeitalter von SMS, Email und Facebook auch immer stärker nachvollziehbar.
Derart vom Verkäufer gemachte Zusicherungen sind rechtlich verbindlich, mag der spätere schriftliche Vertrag auch keinen Bezug mehr darauf nehmen.
Gewährleistung.
Der Verkäufer hat nach den §§ 922 ff Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) dafür einzustehen, dass die Immobilie im Zeitpunkt der Übergabe dem Vereinbarten entspricht. Der Verkäufer hat auch für ausdrücklich oder stillschweigend zugesagte Eigenschaften Gewähr zu leisten.
Im Gewährleistungsfall kann der Käufer – abhängig von der Art des Mangels – zwischen der Verbesserung des Mangels, der Preisminderung oder der Wandlung (Aufhebung) des Vertrages wählen. Im für den Verkäufer schlimmsten Fall muss er damit den Kaufpreis zurückgeben.
Da die Gewährleistungsfrist bei Immobilien drei Jahre beträgt, kann der Verkäufer auch eine beträchtliche Zeit nach der Kaufvertragsabwicklung mit Gewährleistungsansprüchen seines Käufers konfrontiert werden.
Gewährleistungsverzicht.
Der Käufer könnte auf seine Gewährleistungsrechte zwar verzichten oder eine Einschränkung der Gewährleistung vereinbaren; dies geschieht in der Praxis auch regelmäßig. Bei einer formlos geschlossenen Einigung wird ein solcher Verzicht aber nur schwer zu objektivieren sein.
Dazu kommt noch, dass sich selbst ein umfassend vereinbarter Gewährleistungsausschluss nach der Judikatur nicht auf
– bewusst vom Verkäufer verschwiegene Mängel oder
– das Fehlen zugesicherten Eigenschaften
erstreckt. Dies sogar dann, wenn Eigenschaften einer Immobilie zwar nicht ausdrücklich zugesagt wurden, aber ihr Vorhandensein nach dem Verhalten des Verkäufers angenommen werden kann; also beide Parteien ohne explizit darüber zu sprechen, bestimmte Eigenschaften einvernehmlich annehmen (OGH 8 Ob 7/10b). Die Judikatur hat so bereits eine Haftung des Verkäufers für
– einen Mangel des baurechtlichen Konsenses,
– die Bodenbeschaffenheit der Liegenschaft, oder
– eine bestimmte Qualität der Bausubstanz
angenommen (OGH 6 Ob 653/86, 9 Ob 50/10h, OGH 8 Ob 7/10b).
Irrtum.
Stimmen beim Käufer die vorgestellten Eigenschaften einer Immobilie nicht mit der Wirklichkeit überein, unterliegt er einem Irrtum. Wurde dieser Irrtum vom Verkäufer veranlasst (etwa weil er sie bei den Verkaufsverhandlungen zugesagt hat), kann der Käufer den Immobilienkaufvertrag nachträglich anfechten.
Auf das Recht zur Irrtumsanfechtung können die Parteien im Immobilienkaufvertrag aber wirksam und ausnahmslos verzichten.
Haftungsvermeidung für den Verkäufer.
Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu zugesagten Eigenschaften birgt erhebliche Haftungsrisiken für den Verkäufer. Um dieses Risiko zu vermeiden ist gerade bei Verkaufsgesprächen dem Vorgehen vor Vertragsabschluss wesentliche Bedeutung zuzumessen. Dies wird in der Praxis leider oft übersehen.
Dem Verkäufer ist so zu empfehlen, jeweils schon bei Beginn von Verkaufsgesprächen schriftlich zu vereinbaren, dass
- ein Vertragsverhältnis jeweils erst durch eine schriftliche Vereinbarung – nicht aber mündlich oder durch schlüssiges Verhalten – begründet werden soll, und
- Informationen oder gar Zusicherungen über Eigenschaften des Vertragsgegenstandes nur in schriftlicher Form gegeben werden können.
Um den konkreten Inhalt von Informationen über Eigenschaften der Immobilie in einem späteren Verfahren auch beweisen zu können, ist die Sicherung der Gesprächsinhalte und der Korrespondenz zwischen den Parteien unerlässlich; mögen die Zusicherungen auch nur in einer SMS oder Email enthalten sein.
Sicherheit für den Käufer.
Dem Käufer einer Immobilie ist dringend zu raten, die Eigenschaften vor Vertragsabschluss fachkundig zu überprüfen. Gewöhnliche Versprechungen sind nämlich häufig nicht durchsetzbar.
Selbst wenn ein Prozess vom Käufer erfolgreich gestaltet werden kann und der Verkäufer den Kaufpreis rückerstatten muss, ist dieses Recht tatsächlich selten durchsetzbar, weil der Verkäufer den Kaufpreis – ganz oder zum Teil – bereits aufgebraucht haben wird.
Um es darauf nicht ankommen zu lassen, ist dem Käufer daher – neben der Dokumentation der Verkaufsgespräche – zu empfehlen, vor Vertragsabschluss zumindest
- die Immobilie technisch durch Experten überprüfen zu lassen (Vermessung der Liegenschaft, Überprüfung der Bausubstanz, etc), und
- die Übereinstimmung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen (Baubewilligung, Betriebsanlagenbewilligung) mit dem tatsächlichen Zustand der Immobilie zu überprüfen.
Praxistipp.
Die Zeit, die Sie in die richtige Vorbereitung eines Immobilienkaufs investieren, erspart Ihnen mitunter nachträglich die Führung eines mühsamen und kostenintensiven Rechtsstreits. Dabei ist es ratsam, professionelle Beratung bereits vor Beginn von Verkaufsgesprächen in Anspruch zu nehmen.
Dr. Werner Borns, Rechtsanwalt
im September 2012